“Was muss man nicht alles tun, wenn man nun schon einmal unter Orang-Utans leben muss?” Meyrink, Des deutschen Spießers Wunderhorn
Mit beißender Ironie widmet sich Gustav Meyrink in der Novellensammlung «Des deutschen Spießers Wunderhorn» den Auswüchsen der Gesellschaft seiner Zeit. Seine Kritik an unterschiedlichsten sozialen Schichten macht deutlich, dass sich seine Genialität nicht nur im Genre des Phantastischen und des Übersinnlichen bewegt. Zwar trifft der Leser auch im “Wunderhorn” auf beide Elemente, die Meyrink späterhin am meisten ausmachen, doch soll er hier weniger den Schatten und den Nebel fremder Realitäten fürchten und erleben, sondern vielmehr die Absurditäten des Menschseins.
Wie bereits im “Golem”, dem ersten Band unserer kommentierten Meyrink-Ausgabe, ist auch in «Des deutschen Spießers Wunderhorn” häufig die Stadt Prag Schauplatz des oft absurden, hin und wieder unheimlich-übersinnlich anmutenden Geschehens seiner aus Parodien, Satiren und Kurzgeschichten bestehenden Novellensammlung. Meyrink zeigt sich hier deutlich lebensnah und doch gleichzeitig über der Lebenswelt schwebend, deren dunkle Ecken und Nischen aufdeckend und verlachend, während die eine Hand doch mahnend den Zeigefinger hebt. Denn der Spießer jeglicher sozialer Schichten betrügt sich selbst, indem er mehr den Schein als das Sein lebt, was auf Dauer nicht gut gehen kann.