Sind wir ein Volk

Mir kommt es immer vor, als ob der amerikanische oder der amerikanisierte Freiheitsbegriff der gängige ist: Freiheit bedeutet demnach eben nur die Freiheit, Geld zu verdienen, andere zu betrügen und so weiter.

Aber jeder Teil, jeder Mensch innerhalb dieser Gesellschaft war – wie soll man das sagen?

THOMAS BRUSSIG: Ein Soldat im Dienst einer Idee.

Es passiert mir tatsächlich, dass ich überall auf der Welt ein deutscher Schriftsteller bin, nur in Deutschland bin ich ein ostdeutscher Schriftsteller. Interessanterweise gibt es keine westdeutschen Schriftsteller, auch in Deutschland nicht. Es gibt deutsche Schriftsteller oder ostdeutsche Schriftsteller.

Und mit der Einheit sollten plötzlich Dinge normal werden, die aber doch nicht so leicht normal werden.

Wenn man in den späten 80ern diffus links dachte, wie es die meisten Bürgerkinder taten, neigte man zu der Position von Günter Grass: Bloß keine Wiedervereinigung, bloß kein Deutschland mit großem D mehr. Erst später wurde mir klar, dass diese Haltung nicht heroisch, sondern sowohl intellektuell als auch moralisch äußerst schwach war. Wir sind groß geworden mit einer starken Fremdheit gegenüber jeglichem Nationalgefühl. Und wenn man keinerlei Bewusstsein davon hat, dass man eine Nation ist, interessiert es einen auch nicht, ob man plötzlich eine größere Nation ist oder eben diese künstlich halbierte.

Solange wir noch jemanden danach bewerten, ob er aus dem Osten oder aus dem Westen kommt, ist die innere Einheit bei uns nicht vollzogen